Bringt eine Vertragsänderung eine neue Auftragsvergabe mit sich?

01.08.2008

Bestimmte Vertragsänderungen in einem laufenden Vertrag stellen derart wesentliche Änderungen von Vertragsbedingungen dar, dass sie de facto eine neue Auftragsvergabe bedeuten. Eine wesentliche Änderung liegt zB vor, wenn der Auftrag in großem Umfang auf ursprünglich nicht vorgesehene Dienstleistungen erweitert wird, oder wenn sich das wirtschaftliche Gleichgewicht des Vertrags unvorhergesehen zugunsten des Auftragnehmers ändert.

Generell gilt: Die Änderung eines öffentlichen Auftrags während seiner Laufzeit ist wesentlich, wenn sie Bedingungen einführt, die die Zulassung anderer als der ursprünglich zugelassenen Bieter oder die Annahme eines anderen als des ursprünglich angenommenen Angebots erlaubt hätten, wenn sie Gegenstand des ursprünglichen Vergabeverfahrens gewesen wären.

Öffentliche Aufträge werden in der Regel an juristische Personen vergeben. Wurde eine juristische Person in Form einer börsennotierten Aktiengesellschaft gegründet, ergibt sich aus ihrem Wesen, dass sich die Besitzverhältnisse jederzeit ändern können. Dies stellt die Gültigkeit der Vergabe eines öffentlichen Auftrags an eine solche Gesellschaft nicht in Frage. Auch bei einer registrierten Genossenschaft mit beschränkter Haftung führen mögliche Änderungen der Zusammensetzung des Kreises ihrer Mitglieder nicht grundsätzlich zu einer wesentlichen Änderung des an die Gesellschaft vergebenen Auftrags.

Keine neue Auftragsvergabe

Folgende Vertragsänderungen in einem laufenden Vertrag stellen keine wesentlichen Änderungen von Vertragsbedingungen dar und damit auch keine neue Auftragsvergabe:

  • die Übertragung der vom ursprünglichen Dienstleistungserbringer erbrachten Dienstleistungen auf einen anderen Dienstleistungserbringer in Form einer Kapitalgesellschaft, wobei der ursprüngliche Dienstleistungserbringer deren Alleingesellschafter ist, den neuen Dienstleistungserbringer kontrolliert und ihm Weisungen erteilt und auch weiterhin für die Einhaltung der vertraglichen Verpflichtungen haftet;
  • eine Anpassung des ursprünglichen Vertrags an veränderte äußere Umstände, wie die Umrechnung ursprünglich in nationaler Währung ausgedrückter Preise in Euro, die geringfügige Verringerung dieser Preise zu ihrer Rundung und die Bezugnahme auf einen neuen Preisindex, der gem den Bestimmungen des ursprünglichen Vertrags den zuvor festgelegten Index ersetzt;
  • die Verlängerung einer Kündigungsverzichtsklausel für drei Jahre während der Laufzeit des Dienstleistungsauftrags von unbestimmter Dauer;
  • die Festlegung größerer Rabatte für bestimmte Staffelpreise in einem besonderen Bereich.

Quellen

EuGH 19.6.2008, C-454/06, Pressetext Nachrichtenagentur

RL92/50/EWG des Rates vom 18.6.1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge: Art3 Abs1, Art8, Art9

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